
Die Geschichten von Technologiegründern beginnen oft in Co-Working-Büros oder mit einer Notiz auf einer Serviette im Café. Die Geschichte von Inhubber-Gründerin Elena Mechik begann an einem anderen Ort – im Rauschen des Amazonas-Regenwaldes Brasiliens, zwischen bunten Vögeln, feuchter Hitze und dem fernen Dröhnen von Motorsägen.
„Alles begann mit einer Forschungsreise im Rahmen der Technischen Universität Berlin“, erinnert sich Elena. „Ich verbrachte fünf Monate im Regenwald Brasiliens und erlebte hautnah den Schmerz der Menschen, die vom Wald leben, aber auch den Schmerz der Natur, die so schnell zerstört werden kann.“
Diese Zeit wurde zu einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie sah, wie abhängig die lokale Bevölkerung vom Wald ist, aber auch, wie sehr sie unter dem Druck der kommerziellen Holzwirtschaft leidet. Während ihrer Doktorarbeit stieß sie auf eine alarmierende Zahl: die Papierindustrie macht etwa 13–15 % des globalen Holzverbrauchs aus.
Ihre Forschung widmete sich der Frage, wie nachhaltige Einnahmequellen aus Nichtholzprodukten genutzt werden können, um den Wald langfristig zu schützen. Am Ende stand eine noch größere Vision: innovative Technologien – wie Blockchain und digitale Vertragsmanagement-Plattformen – einzusetzen, um Prozesse zu digitalisieren, Papierverbrauch zu reduzieren und so einen Beitrag zum Erhalt der Wälder zu leisten.
Der Weg nach Deutschland und Ausbildung
Elena wurde in Russland geboren. In 1997 beschlossen ihre Eltern, nach Deutschland auszuwandern. So begann in Bad Wildungen, Hessen der neue Lebensabschnitt – mit einem neuen Sprach-, Kultur- und Bildungssystem.
Nach dem Abiturzog Elena nach Berlin, wo sie sich auf ihre Ausbildung konzentrierte. Ihr Werdegang war ehrgeizig und vielseitig:
2004–2008 – Touro College Berlin, Bachelor in International Business and Management
2005–2011 – Technische Universität Berlin, Diplom-Ingenieur-Ökonomin
2014 – London School of Economics, Programm für wirtschaftliche Entwicklung
Wissenschaft und tropische Wälder
Von 2011 bis 2018 arbeitete Elena an der Universität Hamburg in der Forschung zu nachhaltiger Entwicklung und Ökosystemökonomie. 2017 promovierte sie mit der Dissertation „Managing the driver of climate change in the context of sustainable tropical forest management through regulation of economic activities in forest communities while analyzing social-economic interactions“ – eine tiefgehende Untersuchung, wie die Regulierung wirtschaftlicher Aktivitäten in Waldgemeinschaften den Klimawandel verlangsamen kann.
Zu ihren weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen zählen:
- „Analysis of the changes in economic activities of Brazilian forest communities…“ – Untersuchung der wirtschaftlichen Veränderungen in brasilianischen Waldgemeinschaften nach methodischer Unterstützung und Vorfinanzierung.
- Requirements for the Sustainable Development of Economic Activities in Tropical Forest Communities – gemeinsam mit Professor Michael von Hauff, über die notwendigen Bedingungen für nachhaltige Entwicklung in tropischen Waldgemeinschaften.
Blockchain und Tropenwaldschutz
Im Jahr 2021 veröffentlichte Elena Mechik ein Kapitel im Sammelband Climate and Development bei World Scientific Publishing: „The fight against deforestation of tropical forests – The contribution of the blockchain-based contract management method to minimize illegal logging“.
Darin analysiert sie, wie Blockchain-gestützte Vertragsmanagementmethoden helfen können, illegale Abholzung zu reduzieren und Transparenz in den globalen Holzlieferketten zu schaffen. Diese Arbeit gilt als Brücke zwischen ihrer früheren Forschung zu tropischen Wäldern und der technologischen Mission von Inhubber.
Vom NGO zu Technologien
Parallel zu ihrer wissenschaftlichen Arbeit gründete Elena den Verein umWELTweit e.V., wo sie Möglichkeiten der Nutzung dezentraler Technologien zur Transparenz in Lieferketten erforschte. Dort entdeckte sie erstmals das Potenzial der Blockchain als Instrument für Vertrauen und Sicherheit in globalen Prozessen.
„Ich sah in der Blockchain-Technologie eine Möglichkeit, transparente Lieferketten zu schaffen und gleichzeitig Unternehmensprobleme in Bezug auf Datensicherheit und -kontrolle zu lösen“, erklärt Elena im Interview mit Humboldt Innovation.
Sie betont dabei: „None will trust contracts without highest security standards.“ Diese Erkenntnis gewann sie, als sie in ihrer Forschung „ABC“ die theoretischen Grundlagen von Blockchain analysierte und erkannte, dass die Technologie nicht nur höchste Sicherheitsstandards, sondern auch perfektes Versioning jeder Transaktion ermöglichen kann – Blockchain beyond hype.
Deshalb setzt Inhubber konsequent auf zwei Säulen:
- Für jede Transaktion werden ein fälschungssicherer Timestamp und ein einzigartiger Code generiert.
- Zusätzlich wird die Integrität jeder Vertragsversion kryptographisch gesichert, sodass sich sämtliche Änderungen lückenlos nachvollziehen lassen.
Diese Prinzipien finden sich auch in weiteren Forschungsarbeiten wieder, die Elena zitiert und deren Ergebnisse sie teilt, etwa bei Kshetri (2018), Saberi et al. (2019), Queiroz & Fosso Wamba (2020), Sezer et al. (2021) oder Cao et al. (2021). Sie alle betonen, dass Blockchain Transparenz erhöht, Betrug reduziert und Governance stärkt. Damit wird die wissenschaftliche Basis für Inhubbers Architektur noch breiter.
Die Geburt von Inhubber
2019 gründete Elena zusammen mit ihrem Bruder Leonid und ihrem Ehemann Andre Inhubber, unterstützt von Humboldt Innovation und dem EXIST-Förderprogramm.
„Wir haben Inhubber als Lösung für das Vertragsmanagement aufgebaut, die es Unternehmen ermöglicht, alle Verträge zentral in einer maximal geschützten Umgebung zu verwalten“, sagt sie.
Die Technologie von Inhubber kombiniert künstliche Intelligenz zur automatischen Vertragsverarbeitung mit Blockchain für permanente Datenverschlüsselung sowie der einzigartigen Möglichkeit, beliebige Dateien – einschließlich Excel-Tabellen – ohne Konvertierung in PDF zu signieren.
Warum fiel die Wahl auf Ethereum? Elena und ihr Team analysierten verschiedene Protokolle und entschieden sich bewusst für Ethereum, weil es eine große Entwickler-Community, höchste Sicherheitsstandards und geprüfte Stabilität vereint.
Für die Verifizierung von Transaktionen arbeitet Inhubber zudem mit dem Technologiepartner Etherscan zusammen, der aufgrund seiner Reputation und Zuverlässigkeit ausgewählt wurde.
Besonders spannend: Während Elena die theoretischen Grundlagen aus der Forschung einbrachte, ergänzte ihr Mann Andre das Konzept um seine technische Expertise. So verschmolzen wissenschaftliche Annahmen und praktische Architekturentscheidungen zu einer Plattform, die Theorie und Anwendung einzigartig verbindet.
Internationale Anerkennung und Auszeichnungen
Schon zu Beginn ihres Unternehmerwegs gelang es Elena und ihrem Team, nicht nur Kunden, sondern auch Innovations- und Nachhaltigkeitsexperten zu überzeugen.
Inhubber wurde Finalist und Teilnehmer mehrerer renommierter Programme:
- AWS Female Founders Program – ein Amazon-Web-Services-Programm zur Unterstützung von Gründerinnen in der IT. „Drei Monate bei AWS waren eine echte Schule für Verhandlungen mit Investoren. Wir haben reale Fallstudien analysiert und gelernt, das Wertversprechen so zu formulieren, dass es gehört wird“, erinnert sich Elena.
- Teilnahme an Startup-Wettbewerben im Rahmen europäischer Innovationsforen, wo Inhubber für die Kombination von Blockchain und KI im Vertragsmanagement hervorgehoben wurde.
- Auszeichnungen in Wettbewerben für nachhaltiges Wirtschaften für den Beitrag zur Reduzierung des Papierverbrauchs und des CO₂-Fußabdrucks.
Wissenschaftlich-öffentliche Aktivitäten
Die wissenschaftliche Komponente blieb für Elena stets ein wichtiger Teil ihrer beruflichen Identität. Neben drei großen Publikationen – der Dissertation und zwei internationalen Artikeln – nahm sie an Konferenzen zu nachhaltiger Entwicklung, Ökosystemökonomie und digitalen Technologien teil.
Bemerkenswerte Auftritte:
- Vorträge auf internationalen Foren zu tropischen Wäldern, in denen sie die Ergebnisse jahrelanger Feldforschung in Brasilien präsentierte.
- Teilnahme an europäischen Klimaforen, bei denen sie darlegte, wie Blockchain- und KI-Technologien die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) unterstützen können.
- Präsentationen für die akademische Gemeinschaft der Universität Hamburg zum Einsatz mathematischer Modellierung zur Bewertung der Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf Ökosysteme.
Team und Kunden
Im Unternehmen hat jeder Gründer seinen Verantwortungsbereich:
- Elena – Vertrieb und operative Geschäftsführung
- Leonid – Finanzen und Backoffice
- Andrey – CTO und technische Architektur
Heute zählen unter anderem EDEKA, TIER und OECD zu den Kunden von Inhubber. Das Unternehmen bleibt eng mit der Humboldt-Universität zu Berlin verbunden, nutzt das Alumni-Netzwerk und pflegt den Austausch mit anderen Startups.
Familie im Geschäft
Inhubber ist ein Familienunternehmen, in dem jeder Gründer eine Schlüsselrolle spielt. Doch Elena gibt zu: Manchmal sehen Investoren darin ein Risiko. „Einige sagten: Was, wenn die familiären Beziehungen das Geschäft beeinflussen? Aber wir antworteten immer – das ist unser Vorteil: wir vertrauen uns vollkommen und teilen eine gemeinsame Mission.“
Ihrer Meinung nach hilft die familiäre Struktur, Entscheidungen schneller zu treffen, unnötige Bürokratie zu vermeiden und sich auf langfristige Ziele statt auf kurzfristige Gewinne zu konzentrieren.
Unternehmerin in der IT
Elena betont, dass es nicht einfach ist, als Frau mit Migrationshintergrund in der Tech-Branche zu bestehen. Sie verweist auf Studien, die zeigen, dass Investoren Frauen eher nach Risiken und Männer nach Chancen fragen. „Manche potenziellen Investoren lehnten ab, als sie erfuhren, dass wir ein Familienunternehmen sind und ich die Gründerin bin. Aber wir haben viele durch unsere Technologie, unser Team und unsere Kunden überzeugt“, sagt sie.
Um sicher verhandeln zu können, absolvierte Elena ihr eigenes „Intensivprogramm“ in Venture Capital – sie lernte Terminologie, Deal-Strukturen und Finanzierungsphasen. „Vertrieb und Marketing kannte ich ebenfalls nicht“, gibt sie zu. „Ich musste von Grund auf lernen – und es stellte sich als unglaublich spannend heraus.“
Vermächtnis und Pläne
Elena pflegt weiterhin enge Kontakte zur Wissenschaft und bindet Inhubber in Projekte für nachhaltige Entwicklung ein. Die Pläne des Unternehmens umfassen den Ausbau der KI-Funktionalität, die Integration mit neuen Dokumentenmanagementsystemen und den Markteintritt in Lateinamerika, wo papierbasierte Prozesse noch dominieren.
Sie ist überzeugt, dass ökologische Mission und technologische Expertise keine Gegensätze, sondern sich ergänzende Elemente moderner Wirtschaft sind.
Mission und Philosophie
Für Elena ist Inhubber nicht nur eine SaaS-Plattform, sondern Teil ihrer großen ökologischen Mission. Jede elektronische Signatur und jeder Verzicht auf den Ausdruck eines Dokuments ist ein Beitrag zur Verringerung der Abholzung.
Eigene wissenschaftliche Veröffentlichungen von Elena Mechik
- Mechik, E. (2017). Managing the driver of climate change in the context of sustainable tropical forest management through regulation of economic activities in forest communities while analyzing social‑economic interactions. Doktorarbeit, Universität Hamburg. Volltext verfügbar unter: **econpapers.repec.org+12fnu.uni-hamburg.de+12ediss.sub.uni-hamburg.de+12**
- Mechik, E., von Hauff, M., de Moura, L. H. L., Held, H. (2017). Analysis of the changes in economic activities of Brazilian forest communities after methodical support and provision of pre‑financing capital. Journal of Tropical Forest Science, 29(2), 227–237. Link zum Artikel: **ResearchGate+1**
- Mechik, E., von Hauff, M. (2021). The fight against deforestation of tropical forests – The contribution of the blockchain-based contract management method to minimize illegal logging. In: Climate and Development, Kapitel 14, S. 439–463. Verlag: World Scientific Publishing. **ResearchGate+15econpapers.repec.org+15ResearchGate+15**
- Mechik, E. (2014). Small Scale Forest Enterprises with Social Responsibility (SSFESR): Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung tropischer Waldgemeinschaften durch nicht-hölzerne Forstprodukte. Beitrag auf Tropentag 2014. Volltext oder Abstract: **tropentag.de**